LOT 16 HANS BRASS (1885 Wesel - 1959 Berlin)
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Schlucht/ Fließ 2 Kompositionen recto/ verso. Öl auf Leinwand. 1919/1951. 76,5 x 100,5 cm (Sichtbare Fläche im Rahmen: 71,8 x 98 cm). Unten rechts mit Pinsel in Schwarz monogrammiert "HB", datiert und mit der Werknummer "18". Keßler 19-107 und 51-118 (hans-brass.de, 4.4.2022). Provenienz: Privatsammlung Berlin Literatur: Hans Brass, Retrospektive, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Ahrenshoop 2020 (Abb. S. 44 und 45) Um uns ist ein Schöpfungstag, Von der Künstlerkolonie bis heute, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Ahrenshoop 2013 (Abb. S. 36) Zweifach vom Leben durchwirkt: Als besonders seltene kunstbiographische Delikatesse muss das von Hans Brass doppelseitig bearbeitete Großformat gelten, gibt es doch aus der frühen Schaffenszeit seit Jahren kaum Vergleichbares auf dem Auktionsmarkt. Der empfindsame Einzelgänger schloss sich, just den Schützengräben entstiegen, der 1918 gegründeten Novembergruppe an und bewegte sich, die Nachwehen des Krieges absorbierend, erfolgreich malend durch Berlin. Die 1919 dort gestaltete und "Schlucht" betitelte Werkseite entstand in jener Zeit, in der nichts stet und alles offen war. Das Gemütsleben des Künstlers - so beschrieb Carl Gustav Carus bereits 1831 briefförmlich die Hauptaufgaben der Landschaftsmalerei- offenbart sich am wirkungsvollsten in einer entsprechenden Stimmung des Naturlebens. Und so stürzt der Blick mit Betreten des Bildes in eine tiefe Schlucht. Die kulissenartig gestaffelten, dreieckig geschlagenen dunklen Felsen hindern das Auge zunächst am direkten Durchmarsch in den verheißungsvoll sfumesk flirrenden Horizont. Doch der 34-Jährige leitet den zeitlosen Betrachter auf lichten Pfaden versiert durch sein geometrisch-buntverwinkeltes Seelenlabyrinth, das in vielerlei Hinsicht an die Arbeiten des Zeitgenossen Feininger erinnert. Rund dreißig Jahre später und aus der Materialnot heraus geboren, entstand die Rückseite „Fließ“. Der Künstler hatte sich 1921, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, nach Ahrenshoop zurückgezogen und dort mit seiner Gattin einen kleinen Laden, die „Bunte Stube“ eröffnet. Wenige Bilder entstanden in dieser Zeit. Der Rückgang nach Berlin im Jahre 1931 sollte eine Belebung des einstigen malerischen Erfolges erzielen, der aber ausblieb. Erneut in Ahrenshoop, wandte sich Brass eher religiösen Themen und Stillleben zu, der Krieg färbte die Palette zudem dunkler. 1948, mit Übersiedelung nach Birkenwerder, kam der Hang zu klangvollen Farben und Formverschachtelungen zurück, doch das Werk ist leiser geworden. In die klar begrenzten Flächen mischen sich feine Anzeichen von Materialität, die den Dingen innerhalb ihrer Konturen so viel Eigenbewegtheit zugestehen, dass sie den stillen, sphärischen Charakter des Bildes nicht stören. Der ursprüngliche Wunsch, über die Form zurück zur Natur zu gelangen, ist zweifach geglückt.
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